Von Pontresina zum Morteratschgletscher – Herbst in der rätoromanischen Schweiz
Guten Morgen Pontresina! Nach einer erholsamen Nacht im Hotel Schweizerhof wache ich ausgeschlafen, umgeben von 4’000er Bergketten auf. Die herbstlichen Farben in den Bäumen sind eine Augenweide, genau so wie die bereits verschneiten Bergspitzen und der blaue Himmel. Ich ahne es: Das wird ein himmlischer Tag, ja sogar ein unvergesslicher Tag.
Die Anresie von Bern aus, in diese abgelgene Region der Schweiz, glich einer halben Weltreise. Von der Bundesstadt ging es nach Zürich, von da an nach Landquart, weiter nach Samedan umd dann schlussendlich mit dem Bus in das beschauliche Pontresina zu gelangen. Viereinhalb Stunden dauerte diese Fahrt ins Engadin.
Das kleine Dorf übrigens liegt auf über 1800 Meter über Meer – das ist höher gelegen als zum Beispiel die Rigi, die sogenannte Königin der Berge! Die Luft ist dünn, und die Temperaturen sind für einen Städter wie mich ungewohnt tief. Zum Glück habe ich Wollmütze und Handschuhe mit dabei.
Aberja, in Pontresina, im Oktober – da ist eigentlich nicht viel los. Es ist nämlich Nebensaison, nach den grossen sommerlichen Wanderferien und vor den kommenden Wintertage wo man Langläufer, Skifahrer und Snowboarder aus der ganzen Welt erwartet. Die wenigen Menschen, die wir hier treffen, sprechen zudem eine kurlige, schon fast singende Sprache: Das wunderschöne Rätoromanisch, die vierte Landessprache der Schweiz.
Einblick in das wunderschöne Engadin
An diesem herrlichen Herbsttag steht eine lange Wanderung auf dem Programm. Unweit von Pontresina liegt nämlich der drittgrösste Gletscher in den östlichen Alpen: Der Morteratschgletscher. Und spätestens nach meiner Wanderung am Aletschgletscher bin ich schlichtweg fasziniert vom Schauspiel des ewigen Eis, mit dessen Struktur und Auswirkung auf die umliegende Landschaft.
Von Pontresina nach Mortaretsch fährt die Rhätische Bahn. Doch in diesen frühen Vormittagsstunden laden uns die ersten Sonnenstrahlen förmlich ein, den Weg zu Fuss auf sich zu nehmen. Der kleine Spaziergang, parallel der Zuglinie entlang, führt uns durch einen wunderschön herbstlich gefärbten Wald. Inklusive weissen Schimmer, durch den frühmorgendlichen Bodenfrost verursacht.
Bei dieser Schönheit erreichen wir in nur einer Stunde schon den Bahnhof Mortaretsch, der eigentliche Startpunkt für die Wanderung zum Mortaretschgletscher. Leider, könnte man fast sagen – in dieser magischen Waldumgebung hätte ich noch länger spazieren können.
Zusammenfassung
Wanderung: Von Pontresina Dorf nach Morteratsch Bahnhof
Länge & Dauer: ca. 60 Minuten
Am Fuss des Gletschers von Morteratsch – Aussicht auf das Berninamassiv
Nach einem erwärmenden Kaffee und einem grossen Stück hausgemachter Bündner Nusstorte im Gletscher-Hotel Morteratsch, gleich neben dem Bahnhof, geht es los. Los, in Richtung Gletscher, das lokale Wahrzeichen.
Der Wanderweg ist eher eine strassenähnliche Allee, durchaus Kinderwagen tauglich und sehr gemütlich für ganze Familien. Und so präsentiert sich auch das Wandervolk; vom kleinsten Junior bis zur ältesten Seniorin vertreten sich an diesem schönen Tag so ziemlich alle die Füsse. Der Weg führt durch die grüne und belebte Vegetation des Gletschervorfeldes. Ein Lehrpfad vermittelt mittels 20 Haltestellen viel Wissenwertes zum Thema Glaziologie, was sowohl für Kinder wie erwachsene Interessierte spannend ist. Und die Jahreszahlen an den Informationstafeln vermitteln eindürcklich, wie schnell der Gletscherschwund voranschreitet – was mich wiederum sehr nachdenklich stimmt.
Der Spaziergang vom Bahnhof Morteratsch bis an den Fuss des Gletschers dauert je nach Tempo zwischen 45 Minuten und einer Stunde. Der 250 Meter grosse Höhenunterschied aufwärts bemerkt dabei man praktisch nicht – die Aussicht auf das Berninamassiv mit dem Blick auf den Gletscher ist dermassen grandios….
Am Fuss des Gletschers angekommen, begeht man – auf eigenes Risiko – auf das Gletschvorfeld, wo die sogenannte Gletschermilch aus dem Gletscher herausfliesst und als Bach ins Tal hinunterfliesst. Die kahle Landschaft hier am Gletscher, mit Geröll, Felsbrocken und Eismassen, ist ein grossartiger Kontrast zu den sattigen Farben vom Wald am Vormittag.
Zusammenfassung Wanderung zum Morteratschgletscher
Wanderung | Bahnhof Morteratsch – Morteratschgletscher – Bahnhof Morteratsch/th> |
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Distanz | ca. 6 km |
Dauer | ca. 2 Stunden (ohne Pausen) |
Höhenmeter | ↗ 250 m & ↘ 250 m |
Lust auf eine weitere Wanderung im Kanton Graubünden? Dann empfehle ich Dir einen Besuch an den Crestasee, in Flims !
Aufstieg zur SAC Boval Hütte – perfekte Aussicht über den Morteratschgletscher
Doch ich habe an diesem Tag noch nicht genug. Ich möchte noch einen gesamteinheitlichen Blick über den Gletscher erhaschen. Und dafür muss man in die Höhe. So beschliesse ich mich auf den Weg zur Boval Hütte zu machen. Auch wenn ich bereits im Vorfeld weiss, dass die Hütte geschlossen ist. Und dass der Aufstieg für diese Höhenwanderung durchaus streng sein wird.
Unterwegs vom Gletscher zurück zum Bahnhof Morteratsch biege ich so auf den Wanderweg links ab. Das Wegnetz ist hier unheimlich gut beschildert: Der Wegweiser kündet mir einen Aufstieg von 2,5 Stunden an.
Der erste Teil des Aufstiegs ist richtig angenehm. Klar, es geht bergauf – doch in einer angenehmen Art und Weise, immer stetig, und nicht zu steil. Man überquert kleine Bäche, kleinere Felsformationen und mehrheitlich marschiert man auf einen gemütlichen Pfad. Die Ruhe der Natur fühlt sich an wie ein prächtiges Geschenk zum Geburtstag: Die einzigen Geräusche stammen von pfeifenden Vögel, rauschenden Gewässer oder herumspringenden Eichhörnchen. So könnte es für mich bis zur Bovalhütte hinauf gehen….
Doch dabei bleibt es (leider) nicht. Nach gut einer Stunde kommt man an der Baumgrenze an – und ab hier wird die Natur grober, wilder und kantiger. Der gemütliche Pfadweg wandelt sich zum Hindernisparkour über grössere Felsbröcke. Die Steilheit nimmt stetig zu, bis zu einem ungemütlichen Mass. Für trainierte Wanderer mag dies alles ein Leckerbissen und wahrer Genuss sein – ich muss für den Aufstieg allmälich kämpfen. Trittsicherheit ist gefragt, auch wenn gewisse Passagen zu meiner Unterstützung mit Drahtseilen und Kletterseilen versehen sind.
Doch wie (fast) jedes Leiden in der Natur, wird man belohnt. Während dem Aufstieg konnte ich die Aussicht nicht geniessen – bei der Ankunft bei der Bovalhütte jedoch umso mehr. Die Aussicht von oben auf den Morteratschgletscher ist schlichtweg atemberaubend – perfekt für tolle Landschaftsfotos. Diese Strukturen des ewigen Eises. Diese Bergkulisse um das Berninamassiv. Diese Herbstfarben unterhalb der Baumgrenze. Ja, genau so schmeckt der selbstgemachte Kaffee nochmals besser.
Zusammenfassung Wanderung zur Boval Hütte (SAC)
Wanderung | Bahnhof Morteratsch – Boval Hütte SAC – Bahnhof Morteratsch |
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Dauer | 4 bis 5 Stunden (ohne Pausen) |
Höhenmeter | ↗ 600 m & ↘ 600 m |
Level | T2 Wanderweg, benötigt Trittsicherheit, zum Teil sehr steiler Weg |
Indian Summer im Engadin – die Farben beim Morteratschgletscher
Etwas muss ich nun doch noch loswerden – auch wenn ich evtl. ein paar Kritiker auf mich ziehen werde.
Als Indian Summer bezeichnet man laut Definition eine trockene und warme Wetterperiode im späteren Herbst in Nordamerika. Dieses Wetterphänomen zeichnet sich aus mit strahlend blauem Himmel, lang anhaltende unde angenehm warme Temperaturen und eine intensive Verfärbung der Blätter in den Wäldern. Das lernt man nun mal so in der Geografiestunde in der Schule.
Doch „Indian Summer“ ist mittlerweile leider ein beliebtes Buzzword in den Marketingabteilungen von Schweizer Destinationen. Auch wenn es aus sprachlicher wie aus geografischer Sicht eigentlich ein Widerspruch ist, findet man im Internet etliche Beiträge und Informationen zu „Indian Summer in der Schweiz“. Es ist irgendwie auch verständlich, dass man die wunderschönen Landschaften mit den gelbbraun verfärbten Wälder vermarkten will. Doch sorry, die Schweiz liegt nun mal nicht in Nordamerika. Und in der Schweiz sind Herbste selten lang mit warmen Temperaturen zu geniessen.
Persönlich war ich noch nie in Nordamerika. Und es ist nun mein erster (zweitägiger) herbstlicher Ausflug im Oberengadin. Nach diesen entspannten Tagen im Graubünden muss ich zugeben: Würde man mich um eine Beschreibung des Indian Summers fragen, so würde ich wohl oder übel das Fotoalbum von diesem Spaziergang zeigen – und evtl. sogar vorgaukeln, dass ich in Nordamerika war. Weil genau so stellt man sich einen indianischen Sommer vor. Auch wenn es ein Widerspruch ist.
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2 Antworten
Hallo Marc
Einen tollen Beitrag hast du geschrieben. Sehr informativ und deine Bilder sprechen für sich. Gefällt mir sehr. Habe deinen Beitrag mit bei uns verlinkt.
Liebe Grüsse
Dokmai&Daniel
Hallo Daniel, Hallo Dokmai
Besten Dank für das liebe Feedback – freut mich sehr, dass meine Bilder und mein Wanderbericht ein Plätzchen bei euch gefunden hat! :-)
Ganz liebe Grüsse
Marc